1 00:00:00,000 --> 00:00:09,440 Guten Abend, willkommen bei Makro. Wir reden ja alle ganz gerne mal übers Essen. Nicht 2 00:00:09,440 --> 00:00:14,520 nur, weil uns regelmäßig Lebensmittelskandale erschüttern. Erst heute kam die Nachricht, 3 00:00:14,520 --> 00:00:19,040 dass in der Hähnchenmast womöglich mehr Antibiotika verwendet werden als angenommen. 4 00:00:19,040 --> 00:00:24,680 Unser Essen bereitet uns auch deshalb Sorgen, weil es immer teurer wird. Weltweit steigen 5 00:00:24,680 --> 00:00:29,800 die Lebensmittelpreise. Und auch unsere Ansprüche steigen, denn Essen soll nicht nur gesund 6 00:00:29,800 --> 00:00:35,240 sein, es soll gerecht produziert werden, ohne Tiere zu quälen oder die Umwelt zu zerstören. 7 00:00:35,240 --> 00:00:40,480 Auch bei Makro sprechen wir heute über das Essen. Aber über diejenigen, die am Essen 8 00:00:40,480 --> 00:00:46,400 verdienen. Denn allein die Nahrungsmittelindustrie ist hierzulande der viertgrößte Wirtschaftszweig. 9 00:00:46,400 --> 00:00:50,200 Einfach ist das Geschäft mit dem deutschen Verbraucher allerdings nicht. 10 00:00:50,200 --> 00:01:00,520 50 Millionen ist die magische Zahl. 50 Millionen Kundenkontakte im Lebensmittelhandel in Deutschland 11 00:01:00,520 --> 00:01:06,320 an nur einem Tag. Davon können andere Branchen nur träumen. Das Geschäft mit dem Essen 12 00:01:06,320 --> 00:01:12,280 scheinbar krisensicher, denn gegessen wird immer. Doch die Branche hat ein Problem. Der 13 00:01:12,280 --> 00:01:18,000 Markt ist gesättigt. Die Wachstumsraten sind daher eher bescheiden. Wer mehr verdienen will, 14 00:01:18,120 --> 00:01:24,400 muss sich was einfallen lassen. Und so wird der Einkauf zum Event und aus Essen Food, 15 00:01:24,400 --> 00:01:31,600 wie es neudeutsch in der Branche heißt. Da gibt es Functional Food, fit und gesund. Die 16 00:01:31,600 --> 00:01:38,800 Bio-Welle, natürlich und chemiefrei. Und Essen aus der Region, wie vom Bauern um die Ecke. 17 00:01:38,800 --> 00:01:45,760 Deutschlands Supermarktregale biegen sich unter mehr als 170.000 verschiedenen Lebensmitteln. 18 00:01:45,800 --> 00:01:51,640 Für jeden Geschmack etwas. Deutschlands Einzelhandel wird von sechs Ketten dominiert. 19 00:01:51,640 --> 00:02:00,240 90 Prozent Marktanteil für Edeka, Rewe, Aldi, Lidl, Metro und Tengelmann. Wer nicht nach ihren 20 00:02:00,240 --> 00:02:05,640 Vorgaben spielt, dessen Produkte landen nicht im Regal der Märkte, so heißt es. Die Grundregel 21 00:02:05,640 --> 00:02:11,680 dabei ist einfach. Runter mit den Preisen, auf zum Segen der Verbraucher. Deutschlands 22 00:02:11,680 --> 00:02:17,040 Supermärkte sind die günstigsten in Europa. Hier kostet Milch nur halb so viel wie zum Beispiel 23 00:02:17,040 --> 00:02:23,120 in Belgien. Sehr zum Leidwesen der Bauern, die beklagen den ständigen Preisdruck der 24 00:02:23,120 --> 00:02:28,720 Discounter, fürchten um ihre Existenz. Doch trotz der Kampfpreise ist die Kundschaft 25 00:02:28,720 --> 00:02:34,680 unzufrieden. 85 Prozent der Deutschen klagen über ihre Ernährung. Nur jeder Dritte hat Spaß am 26 00:02:34,680 --> 00:02:40,200 Einkauf von Lebensmitteln, so eine Studie der Lebensmittelindustrie. Statt in den Discounter 27 00:02:40,200 --> 00:02:44,440 würden die 50 Millionen, die jeden Tag in Deutschland Essen kaufen, viel lieber auf den 28 00:02:44,440 --> 00:02:52,320 Wochenmarkt gehen. Doch dort ist es eben nicht so preisgünstig. Über den deutschen Lebensmittelmarkt 29 00:02:52,320 --> 00:02:56,720 und seinen Kampf um die Kundschaft spreche ich jetzt mit Christina Steinheuer von der 30 00:02:56,720 --> 00:03:00,960 Fachzeitschrift Lebensmittelpraxis. Schönen guten Abend, Frau Steinheuer. Guten Abend. Ja, 31 00:03:00,960 --> 00:03:05,240 Lebensmittel sind billig, das haben wir gerade im Film gesehen. Kann man Rückschlüsse darauf 32 00:03:05,240 --> 00:03:08,800 schließen, dass die Lebensmittel vielleicht in Deutschland nicht die entsprechende Qualität 33 00:03:09,160 --> 00:03:13,360 haben? Die Lebensmittelskandale reißen ja nicht ab. Nein, das kann man ganz sicher nicht. Die 34 00:03:13,360 --> 00:03:17,520 Qualität der deutschen Lebensmittel ist in Europa sogar, ich würde sagen, führend jedenfalls sehr 35 00:03:17,520 --> 00:03:22,840 hoch. Und dadurch, dass wir ständig von Skandalen hören, heißt es nicht, dass wir mehr Skandale 36 00:03:22,840 --> 00:03:27,400 haben, als es sie in anderen Ländern gibt. Bei uns wird sowas nur transparenter, schneller öffentlich. 37 00:03:27,400 --> 00:03:32,680 Und die Analysemethoden, die es heute gibt, sind verglichen mit denen von vor 40, 50 Jahren einfach 38 00:03:32,680 --> 00:03:37,800 umlängend besser. Wir finden heute einen Tropfen irgendeiner Substanz im Atlantik. Und das wäre 39 00:03:37,800 --> 00:03:41,520 der falsche Rückschluss, zu sagen, Lebensmittel sind nicht gut. Sie sind qualitativ sogar sehr 40 00:03:41,520 --> 00:03:46,680 hoch. Und warum sind sie dann so billig in Deutschland vergleichsweise? Sie sind deshalb so 41 00:03:46,680 --> 00:03:51,360 billig, weil bei uns in Deutschland der härteste Wettbewerb innerhalb Europas herrscht. Das wurde 42 00:03:51,360 --> 00:03:57,080 ja eben im Beitrag auch angesprochen. Und Handel, also die, die Lebensmittel verkaufen, aber auch 43 00:03:57,080 --> 00:04:01,920 die Hersteller, stehen in einem enorm harten Wettbewerb. Da gönnt sich keiner nichts. Aber 44 00:04:01,920 --> 00:04:06,840 warum ist er so viel härter als in Frankreich oder Spanien oder sonst wo? Deutschland ist die 45 00:04:06,840 --> 00:04:12,200 größte Volkswirtschaft in Europa, hat also die größte Nachfragemacht und deshalb auch den 46 00:04:12,200 --> 00:04:19,200 härtesten Wettbewerb. Lebensmittel sind immer lokal und der Mittelstand ist immer noch vorherrschend 47 00:04:19,200 --> 00:04:24,200 bei der Industrie und auch im Handel in Deutschland. Und das zeichnet diesen Wettbewerb aus. Da geht es 48 00:04:24,200 --> 00:04:31,880 um alles und eben auch um den Preis. Nun kämpfen ja die Handelsketten um mehr Umsätze, um mehr Kunden 49 00:04:31,880 --> 00:04:36,400 und gucken dabei stark auf Nischengeschäfte. Und unter anderem läuft ja, zumindest als 50 00:04:36,400 --> 00:04:41,120 Verbraucher hat man das Gefühl im Augenblick, das moralische Gewissen sehr gut. Also Lebensmittel 51 00:04:41,120 --> 00:04:44,480 sollen fair gehandelt sein, sie sollen keine großen Wege zurückgelegt haben, sie sollen vom 52 00:04:44,480 --> 00:04:50,880 Bauernleben an, sie sollen CO2-neutral sein etc. pp. Läuft das gut eigentlich? Unterschiedlich. 53 00:04:50,880 --> 00:04:56,880 Zum Beispiel Bioprodukte stagnieren in Deutschland seit zwei, drei Jahren, haben einen Markteinteil in 54 00:04:56,880 --> 00:05:01,720 Summe von drei bis fünf Prozent. Jetzt kann man sagen, das ist viel oder wenig. Das liegt im Auge 55 00:05:01,720 --> 00:05:07,280 des Betrachters. Fair gehandelte Produkte liegen bei 0,x. Also der Anteil ist noch viel geringer und 56 00:05:07,280 --> 00:05:12,640 drückt man es in Euro aus, anstatt in Prozent wird es eigentlich noch deutlicher. Von 122 Milliarden 57 00:05:12,640 --> 00:05:17,120 Euro Umsatz, die die Lebensmittelwirtschaft im letzten Jahr erwirtschaftet hat, fallen nur sechs 58 00:05:17,120 --> 00:05:22,960 Milliarden von 122, also nur sechs, auf zum Beispiel Bioprodukte in Deutschland. Also es wächst nicht so 59 00:05:22,960 --> 00:05:26,240 stark, wie man als Verbraucher subjektiv vielleicht den Eindruck hat, weil es natürlich vom Marketing 60 00:05:26,240 --> 00:05:31,480 her sehr präsent ist. So ist es. Gut, prima. Wir gucken in unserer Sendung noch auf weitere Nischen, 61 00:05:31,480 --> 00:05:35,840 die sich der Lebensmittelhandel erobert. Vielen Dank fürs Erste, Christine Steineheuer von der 62 00:05:35,840 --> 00:05:41,400 Zeitschrift Lebensmittelpraxis. In einem sind wir Verbraucher und wir alle einig, Essen soll uns 63 00:05:41,400 --> 00:05:46,640 nicht krank machen. Manche aber erwarten sogar, dass Essen sie gesund macht. Wir alle kennen die 64 00:05:46,640 --> 00:05:52,120 Joghurts, die uns angeblich das Gefühl von Leichtigkeit und Vitalität geben. Functional 65 00:05:52,120 --> 00:05:57,840 Food heißt dieser Trend, der in Form ganz unterschiedlicher Produkte die Regale erobert 66 00:05:57,840 --> 00:06:06,120 und sogar Klostermauern überwindet. Gleich neben dem Kloster wird ein besonderes Bier gebraut. Im 67 00:06:06,120 --> 00:06:12,000 brandenburgischen Neuzelle geht man mit der Zeit. Das Klosterbräu hier soll schön machen. Ein 68 00:06:12,000 --> 00:06:20,840 Anti-Aging-Bier mit 4,8 Prozent Alkoholgehalt und zugesetzten Algen. Massenweise werden Bonbons, 69 00:06:20,840 --> 00:06:26,440 Suppen und Säfte mit angeblich nützlichen Zusatzstoffen aufgepäppt. Gesundheit, Schönheit 70 00:06:26,520 --> 00:06:32,040 und Fitness verspricht das sogenannte Functional Food. Die Lebensmittelbranche versucht so ein 71 00:06:32,040 --> 00:06:38,440 bisschen mehr herauszuschlagen, denn satt sind wir ja längst. Der Klassiker Joghurts mit 72 00:06:38,440 --> 00:06:43,480 probiotischen Bakterienstemmen. Und was bringt es tatsächlich? Ein Beispiel. 73 00:06:43,480 --> 00:06:51,400 Actimel von Danone, ein Joghurt, das in der Werbung suggeriert, dass man sich damit vor 74 00:06:51,400 --> 00:06:54,920 Erkältungen schützen könne. Das ist natürlich völliger Unsinn. Man kann sich damit nicht vor 75 00:06:54,920 --> 00:06:59,360 Erkältungen schützen. Es gibt eine gewisse Wirkung auf das Immunsystem. Die gibt es aber 76 00:06:59,360 --> 00:07:03,480 auch bei herkömmlichen Naturjoghurts. Der Unterschied ist, Actimel ist etwa drei bis 77 00:07:03,480 --> 00:07:10,280 viermal so teuer und auch noch doppelt so zuckrig. Immerhin, Unilever darf damit werben, 78 00:07:10,280 --> 00:07:15,000 dass BCL proaktiv dauerhaft den Cholesterinspiegel senkt. Das stimmt, 79 00:07:15,000 --> 00:07:22,280 zugesetzte Phytosterole bewirken das, soweit so gut. Doch deren Nebenwirkungen sind kaum erforscht. 80 00:07:22,280 --> 00:07:30,400 Und trotzdem, Functional Food funktioniert. Und zwar am besten für die Unternehmen. 81 00:07:30,400 --> 00:07:36,880 Der Umsatz mit Funktionsnahrung wächst überdurchschnittlich. Allein in Westeuropa 82 00:07:36,880 --> 00:07:41,720 legte Functional Food mit zehn Prozent deutlich stärker zu als andere Packungsnahrung. 83 00:07:41,720 --> 00:07:48,440 Lebensmittel-Gigant Nestlé geht deshalb schon weiter, sieht die Zukunft bei Produkten, 84 00:07:48,440 --> 00:07:52,400 die nicht nur die Gesundheit fördern, sondern Krankheitsverläufe tatsächlich 85 00:07:52,400 --> 00:08:00,160 positiv beeinflussen sollen. Was wir bislang kennen, scheint also erst der Anfang. Wundermedizin 86 00:08:00,160 --> 00:08:06,760 aus dem Supermarkt, die Zukunft. Ohne Arzt, aber möglicherweise mit Risiken und Nebenwirkungen.